Steigende Insolvenzzahlen: Nur 15 Prozent der mittelständischen Betriebe nutzen Factoring 

  • Statistisches Bundesamt: 30%iger Anstieg der Unternehmensinsolvenzen gegenüber Vorjahr
  • IWH: Schließungen von Personen- und Kapitalgesellschaften erreichen Rekordwerte
  • Factoring-Branche: Gefahr von Folgeinsolvenzen
  • Ratgeber: Vier Empfehlungen zur Vermeidung von Forderungsausfällen

Düsseldorf, 4. September 2024 – Internationale Vergleichsstudien bescheinigen dem Standort Deutschland eine sinkende Wettbewerbsfähigkeit. Die deutsche Wirtschaft stagniert mit Nullwachstum am Rande der Rezession. Nicht ohne Folgen für die hiesigen Betriebe. Das ZEW (Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung Mannheim) zählt für das Jahr 2023 rund 176.000 Firmenaufgaben. In ihren Auswertungen vom August des laufenden Jahres melden das Statistische Bundesamt und das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) allein für den Monat Mai (aktuellste verfügbare Zahlen) fast 2.000 Unternehmensinsolvenzen (ein Anstieg um fast ein Drittel gegenüber dem Vorjahresmonat) sowie Rekordwerte bei den Schließungen vor allem im verarbeitenden Gewerbe.

Gefahr von Ansteckungen und Folgeinsolvenzen

Markus Haupt, Geschäftsführer und Leiter des RessortsMarkt von Bibby Financial Services, ordnet die aktuelle konjunkturelle Entwicklung für den deutschen Mittelstand ein: „Wir registrieren einerseits den unerfreulichen Trend einer Abwanderung der industriellen Basis. Etwa wenn Produktionslinien angesichts hoher Energiepreise und Arbeitskosten verlagert werden. Andererseits sehen sich viele Firmen wirtschaftlich dazu gezwungen, den Betrieb einzustellen“. Häufig verzeichnen in Schieflage geratene Firmen sogenannte Forderungsverluste, das heißt, sie leiden darunter, dass Rechnungen durch ihre Kunden nicht beglichen werden. Betroffen sind nicht nur international ausgerichtete Unternehmen aus den Bereichen Automobil, Spedition und Maschinenbau, sondern auch Handwerksbetriebe sowie sektorenübergreifend kleine und mittelständische Firmen (KMU).

Aus volkswirtschaftlicher Sicht sollte die Gefahr von Ansteckungseffekten sehr ernst genommen werden. Diese sind absehbar, wenn von Zahlungsschwierigkeiten betroffene Unternehmen selbst zu einem Ausfallrisiko für deren Geschäftspartner werden. Folgeinsolvenzen sind eine mögliche Konsequenz“, ergänzt Marko Dupor, der als Geschäftsführer den Bereich Marktfolge (Risikomanagement und Regulatorik) des Finanzdienstleisters Bibby Financial Services in Deutschland abdeckt.

Vier Empfehlungen zur Vermeidung von Forderungsausfällen

Können Betriebe ihre Kosten und Aufträge, für die sie oft in Vorleistung gehen, aus den laufenden Einnahmen (Cashflow) nicht mehr stemmen, sind häufig die skizzierten säumigen Zahlungen von Kunden eine Ursache. Regelmäßige Umfragen von Bibby Financial Services legen nahe, dass rund die Hälfte der deutschen KMU von Zahlungsverzögerungen oder sogar Forderungsausfällen betroffen ist. Statt der Aufnahme weiterer Kredite und damit zusätzlicher fremdkapitalseitiger Belastungen empfiehlt Bibby Financial Services den Aufbau eines professionellen Forderungsmanagements. „Ein gewerbliches Darlehen ist nicht immer die beste Lösung. Es gilt, alle weiteren Hebel, denen eine unternehmerische Finanzierungsfunktion zukommt, auf den Prüfstand zu stellen“, so Marko Dupor.

Nachstehende Liste soll Unternehmern helfen, Liquiditätsengpässe und die Inkaufnahme eines höheren Verschuldungsgrads zu vermeiden.

Empfehlung 1: Laufzeiten kontrollieren

Kontrollieren Sie regelmäßig das Zahlungsverhalten Ihrer Kunden und Außenstände. Überprüfen Sie dabei: Wie viel Geld ist derzeit in offenen Rechnungen gebunden? Eine zentrale Kennziffer ist die sogenannte Debitorenlaufzeit, also diejenige Zeit, die Ihre Kunden im Schnitt benötigen, um Rechnungen zu begleichen. Versuchen Sie, die Kosten für uneinbringliche Forderungen zu beziffern.

Empfehlung 2: Zahlungsvereinbarungen anpassen

Gute Arbeitsbeziehungen zu Kunden sowie ein transparenter Austausch zu Rechnungs- und Zahlungsvereinbarungen sind Grundpfeiler nachhaltiger Geschäftsmodelle. Spielen Sie Szenarien durch: Wie würde es sich auf Ihr Geschäft auswirken, wenn der Eingang Ihrer Rechnungen heute - und nicht erst in 60 oder 90 Tagen - erfolgt? Wer über eine solide Liquidität (mittels Factoring oder weiterer Strategien) verfügt, der kann es sich leisten, längere Zahlungsziele mit Kunden festzulegen. Forderungen aus der zunehmenden Welle an Insolvenzen stellen ein zusätzliches Risiko dar.

Empfehlung 3: Geldfluss sicherstellen

Reichen Ihre Eigenmittel und die Einnahmen aus, um Ihre laufenden Kosten zu decken? Können damit auch Wachstums- beziehungsweise Investitionspläne finanziert werden, oder sind Sie auf Fremdkapital angewiesen? Kontrollieren Sie im Zusammenhang mit den Überlegungen zum Cash Flow-Management auch, inwieweit Ihr Geldfluss gegebenenfalls vornehmlich nur von einer kleinen Zahl Ihrer Kunden abhängig ist.

Empfehlung 4: Factoring nutzen

Wenn Sie hohe Außenstände oder einen intensiven Wareneinsatz haben und regelmäßig das Risiko aus Forderungsverlusten mindern möchten, bietet sich Factoring als Baustein in Ihrer Finanzierungsstrategie an. Dafür verkaufen Sie Ihre Forderungen an einen Factoring-Dienstleister und erhalten von diesem (mit einem kleinen Abschlag) sofort die Rechnungssumme. Die Liquiditätsvorteile wirken sich positiv auf den Cashflow sowie auf die Bonität (Kreditwürdigkeit) und Eigenkapitalquote aus.

Ausblick: Betriebsschließungen abwenden

Die Bewältigung der mit dem Verzug von Zahlungen verbundenen Herausforderungen und die Aufrechterhaltung von Liquidität sind entscheidende Stellschrauben, um Unternehmen fortführen und Arbeitsplätze erhalten zu können. Auswertungen von Bibby Financial Services deuten darauf hin, dass rund 15 Prozent der mittelständischen Betriebe in Deutschland in diesem Kontext bereits Factoringlösungen einsetzen. Der Deutsche Factoring-Verband e.V. rechnet vor, dass mehr als 100.000 Unternehmen Factoring als Teil ihres Finanzierungsmixes nutzen und Betriebsmittel im Gegenwert von 9,3% des deutschen Bruttoinlandsprodukts auf diesem Wege finanzieren. „Angesichts der strukturellen Probleme am Produktionsstandort Deutschland ist die Abwendung von Schließungen marktfähiger Unternehmen eine wirtschaftspolitische Priorität. Factoring kann hier einen wichtigen Beitrag leisten“, schließt Markus Haupt.