Ein Factor für alle Fälle

So hart wie lange nicht mehr kämpfen Factoringanbieter um Kunden. Das ist einerseits gut für Finanzchefs. Sie sollten andererseits aber auf mehr als nur den Preis achten.

Erschienen in FINANCE Mai/Juni 2017 - STRATEGIE & EFFIZIENZ: SCHWERPUNKT
Text: Markus Dentz

Der Markt für Factoring ist umkämpft wie lange nicht. Zogen sich nach der Finanzkrise einige Anbieter aus dem deutschen Markt zurück, sind inzwischen nahezu alle wieder aktiv: inländische und ausländische Anbieter, Banktöchter und bankenunabhängige Player. Auch Fintechs mischen neuerdings in der Forderungsfinanzierung mit.

Als besonders angriffslustig gilt derzeit BNP Paribas Factor. Die Factoringgesellschaft, die zur gleichnamigen französischen Großbank gehört, hat das Volumen der finanzierten Forderungen in den vergangenen drei Jahren von knapp 6 auf über 20 Milliarden Euro mehr als verdreifacht. Damit gehören die Düsseldorfer inzwischen zu den Top 5 im deutschen Markt.

Geschäftsführer Thorsten König führt die Steigerung vor allem auf die drei strategischen M’s zurück: Multi-Kunden („Wir bieten Factoring für Mittelständler bis zum Großkonzern an“), Multi-Länder („Wir begleiten Unternehmen international“) und Multi-Produkte („Wir strukturieren individuelle Lösungen, die auch IFRS-Anforderungen erfüllen.“). Seine Ambitionen sind noch nicht gestillt. „Wir haben unser Vertriebsteam stark ausgebaut und arbeiten eng mit der BNP Paribas Gruppe und unseren externen Partnern zusammen“, sagt der Factoringspezialist.

Die Düsseldorfer sind mit 23 Prozent Umsatzwachstum im vergangenen Jahr deutlich über dem Markt expandiert. Dort wachsen die Bäume derzeit nicht mehr in den Himmel. Berichtete der Deutsche Factoring-Verband früher regelmäßig über zweistellige Wachstumsraten, blieb es im Jahr 2016 lediglich bei einem Plus von knapp 4 Prozent auf jetzt 217 Milliarden Euro. Dennoch zeigt sich Joachim Secker, der Sprecher der Vorstands, mit dem Ergebnis zufrieden: „Factoring entwickelte sich 2016 mit einem moderaten Zuwachs erfreulich weiter, vor allem angesichts der Marktsituation und der Überliquidität ist dies ein sehr ordentliches Ergebnis.“ Deutlich stärker als das Volumen konnten die Factoring-Gesellschaften die Anzahl ihrer Kunden steigern. Über 27.000 Unternehmen nutzen 2016 den revolvierenden Forderungsverkauf, knapp 34 Prozent mehr als im Vorjahr. „Die Entwicklung spricht dafür, dass zunehmend kleine Unternehmen aus dem Mittelstand Gefallen am Forderungsverkauf finden“, sagt Andreas Dehlzeit, Geschäftsführer von Bibby Financial Services Deutschland.

Da der Anteil des Factoringvolumens in Relation zum deutschen Bruttoinlandsprodukt mit rund 7 Prozent unter dem von reiferen Factoringmärkten wie Frankreich oder Großbritannien liegt, sehen viele Anbieter hierzulande noch signifikante Wachstumschancen. Andreas Dehlzeit: „Wir haben unser Vertriebsteam in den vergangenen Jahren sehr gestärkt und rechnen mit einer weiteren Expansion.“ Das Unternehmen gehört zur internationalen Gruppe Bibby Financial Services, die 1982 in Großbritannien gegründet wurde. In Deutschland hat sich Bibby vor allem auf das Geschäft mit dem kleinen Mittelstand fokussiert und will hier – gegen entsprechende Sicherheiten – auch tiefer ins Risiko gehen als andere.

Motive für Factoring

Finanzchefs nutzen Factoring aus ganz unterschiedlichen Gründen. Während für kleinere Unternehmen häufig die Liquidität im Vordergrund steht, nutzen Großunternehmen und Konzerne den Forderungsverkauf, um ihre Bilanz zu steuern. Mit Factoring lassen sich bei Bedarf durch den Off-Balance-Effekt Kennzahlen glätten, damit Aktionäre keine kritischen Fragen stellen.

Außerdem kommt hinzu: „Factoring entfaltet seine besonderen Stärken in zyklischen Phasen“, sagt Joachim Secker. In Wachstumsphasen können Factoringanbieter die zunehmenden Forderungsbestände finanzieren. Aber auch in Abschwungphasen begleiten die meisten Forderungsfinanzierer das Unternehmen, wie in der vergangenen Finanzkrise sichtbar wurde. Während die Factoringfinanzierung die Bankfinanzierung in aller Regel ergänzt, geraten die Angebote durch die derzeitige Liquiditätsschwemme zur Konkurrenz. „Das Wettbewerbsumfeld ist sehr ambitioniert“, sagt Thorsten König. „Es sind viele Anbieter im Markt, und nahezu alle haben den Mittelstand im Fokus.“

Dieser Hype birgt Risiken. So muss die Branche derzeit aufpassen, dass die Sicherheitsstandards nicht verfallen. Zum Teil sei das bereits der Fall, berichten Brancheninsider. So würden Zahlungen nicht immer auf den an den Factor abgetretenen Konten eingehen. Das könne dazu führen, dass Unternehmen zeitweise sowohl die Vorfinanzierung als auch die Kundengelder in der Kasse hätten – bis zu 190 Prozent des Geldes. Auch gebe es andere Fälle, in denen die Zahlungsströme nicht klar genug definiert seien. Betrügern, unter denen Factoringgesellschaften in der Vergangenheit immer wieder gelitten haben, würden so Tür und Tor geöffnet. Außerdem müssten die Anbieter zunehmend Zugeständnisse bei den Konditionen machen. „Die Preise sinken in den Keller“, sagt Joachim Secker. „Das Produkt Factoring wird derzeit unter Wert verkauft.“

Statt hier immer nur auf den günstigsten Anbieter zu setzen, dürfte es sich für CFOs lohnen, längerfristig einer Factoringgesellschaft treu zu bleiben. Das hilft besonders dann, wenn einmal schwierigere Unternehmensphasen kommen – ein Factor für alle Fälle sozusagen. markus.dentz@finance-magazin.de

Der Markt

Der Factoringmarkt hat sich in den vergangenen Jahren stürmisch entwickelt. Im vergangenen Jahr wuchs das Factoringvolumen aber nur einstellig, was Experten vor allem auf Liquiditätsüberschüsse in den Unternehmen und den harten Wettbewerb mit Banken zurückführen.

Factoring

Unter Factoring versteht man den revolvierenden Verkauf von Forderungen an eine Finanzierungsgesellschaft („Factor“). Die gängigste Variante ist das stille Inhouse Factoring, bei dem das Mahnwesen im Unternehmen verbleibt. Kunden des Forderungsverkäufers sehen nicht, dass ihre Forderung abgetreten wurde.

24 Mai 2017


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